Über das Buch |
Das Buch enthält Daten, Erfahrungsberichte und Reflexionen zum
Prozess des Forschens in Europa für den Bereich der Sozialwissenschaften.
Es werden Strukturen und Konzeptionen von europäischen Forschungsprogrammen
und deren Veränderung insbesondere im Kontext des 4. und 5. Rahmenprogramms
für Forschung und technologische Entwicklung der EU (1994-2002) präsentiert.
Ein Überblick über die Förderungen aus Mitteln der Strukturfonds
und aus anderen Programmen der EU wird ebenfalls vorgelegt. Darüber
hinaus wird die gesamteuropäische Orientierung der Forschungskooperation
mit mittel- und osteuropäischen Ländern betont. Analysen der
Bedingungen von Forschungsförderung, von Schwerpunkten und Handlungsoptionen
werden ergänzt durch Beiträge, die konkrete Forschungsleistungen
und Ergebnisse von transnational durchgeführten Projekten dokumentieren.
Das Buch soll das Interesse der Scientific Community, der
Forschungspolitik und von Einrichtungen der Forschungsförderung auf
steigende Anforderungen und Chancen lenken, die sich aus der internationalen
und interdisziplinären Zusammenarbeit sowie aus der Praxisorientierung
europäischer Projekte ergeben. Das Angebot an relevanter sowie detaillierter
Information unterstützt die fachlich fundierte Diskussion in bezug
auf die Entwicklung der Sozialwissenschaften und kann nicht zuletzt als
Lehrmaterial für einschlägige Studienrichtungen eingesetzt werden.
Drei Schwerpunkte werden gesondert behandelt: – Der erste betrifft die Rahmenprogramme für Forschung und technologische
Entwicklung der EU im Zeitraum von 1994-2002. Dieser Teil enthält
Angaben über sozialwissenschaftliche Forschungsmöglichkeiten
innerhalb der Aktionslinien und Spezifischen Programme des 4. Rahmenprogramms,
einen Überblick der Österreich-Beteiligung am sowie einen Ausblick
auf das 5. Rahmenprogramm. – Im zweiten Teil werden die Förderungsmöglichkeiten für
Forschungsprojekte mit sozialen Dimensionen aus Mitteln der Strukturfonds
und aus anderen Programmen der EU im Überblick dargestellt. – Der dritte Teil stellt Erfahrungen und Ergebnisse anhand konkreter Berichte
über Projekte in verschiedenen Programmen vor. |
Vorwort
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Der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union eröffnete
neue Beteiligungschancen an transnationalen Projekten,
Initiativen und Aktionen der EU. Diese betreffen nicht
nur die Rahmenprogramme für Forschung und technologische
Entwicklung, sondern ebenso Gemeinschaftsinitiativen
(GI) und Aktionsprogramme sowie die Möglichkeit,
für verschiedene Generaldirektionen der Europäischen
Kommission Serviceverträge abzuschließen.Dabei
gewinnen soziale Dimensionen und sozialwissenschaftlich
relevante Fragestellungen grundsätzlich an Bedeutung.
Dem sollte im 4. Rahmenprogramm dadurch Rechnung getragen
werden, dass ein eigenes Programm für Sozioökonomische
Schwerpunktforschung (Targeted Socio-Economic
Research – TSER) eingerichtet und durchgeführt
wurde. Die Grundstrukturen dieses Programms und die
Erfahrungen mit österreichischer Beteiligung daran
werden in diesem Buch ebenso dargestellt wie die Begründungen
dafür erläutert, warum und zugunsten welcher
Strategie davon im 5. Rahmenprogramm wieder abgegangen
wurde. Innerhalb der zwischen den Mitgliedstaaten und
den Strukturfonds für Soziales, Regionalentwicklung
und Landwirtschaft (ESF, EFRE, EAGFL) kofinanzierten
Gemeinschaftsinitiativen wurden im Jahr 1997 neue bzw.
zusätzliche Aktionsbereiche Inclusion
und Building the Information Society eingerichtet.
Auf Grund der Agenda 2000 und der Einleitung des Osterweiterungsprozesses
der EU entstehen neuerlich veränderte Aufgaben
und Chancen in anders strukturierten Programmen und
Zieldefinitionen. Maßgebliche Veränderungen
betreffen in neuen Planungskonzeptionen weiters die
für Arbeitsmarktforschung und beschäftigungspolitisch
relevante, zwischen ESF und nationalen Stellen kofinanzierte
Maßnahmen. Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive
ist diesbezüglich – nicht ausschließlich,
aber besonders – etwa auf die ab 2001 laufende
Gemeinschaftsinitiative EQUAL zu verweisen. Das Ziel
von EQUAL liegt in der Förderung neuer Methoden
zur Bekämpfung von Diskriminierungen und Ungleichheiten
jeglicher Art im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt.Auch
unter veränderten Programmbedingungen werden sich
damit für österreichische Institute und Einrichtungen,
die an gesellschaftspolitischen Fragestellungen arbeiten,
wieder Chancen zur Beteiligung an transnationalen und
innovativen Projekten mit Umsetzungscharakter bieten,
die z. T. in enger inhaltlicher Verbindung mit österreichischen
Forschungsschwerpunkten stehen. So war beispielsweise
bisher der Forschungsschwerpunkt Fremdenfeindlichkeit
des BM:WV in Analogie zu den Forschungsarbeiten
über soziale Ausgrenzung und Integration in Europa
innerhalb des TSER-Programms, aber auch in Verbindung
mit Maßnahmen der DG V zur Förderung der
Integration von Flüchtlingen sowie Unterstützungsmaßnahmen
im Rahmen des Programms URBAN zu sehen. In einem derartigen
Setting ist es für sozialwissenschaftliche Institute
möglich, zu einer thematischen Schwerpunktsetzung
– etwa hinsichtlich der Integration von AusländerInnen
– Forschungsprojekte mit theoretisch und empirisch
anspruchsvollen wissenschaftlichen Methoden durchzuführen
und deren Ergebnisse in weiterer Folge im Rahmen konkreter
Maßnahmenprojekte, gefördert aus anwendungsorientierten
Programmen, zu verwerten. Dies ist ein strategischer
Weg in Richtung anschlussfähiger sozialwissenschaftlicher
Forschung, wobei Erkenntnisse für die praktische
Umsetzung nicht nur zur Verfügung gestellt, sondern
in eigene transdisziplinäre Projekte eingebracht
werden. Das Zentrum für soziale Innovation versucht
dieses Konzept systematisch auszubauen. Wir sehen darin
die eigentliche Chance, als außeruniversitäres
sozialwissenschaftliches Institut zu überleben
und uns weiterzuentwickeln, während gleichzeitig
die Palette von Handlungsmöglichkeiten erweitert
wird. Die unterschiedlichen Anforderungen verschiedener
Formen des Einsatzes und der Nutzung von Methoden und
Wissen schaffen dabei eine kreative Vielfalt von Tätigkeiten,
denen die internen Organisations- und Personalentwicklungsprozesse
laufend angepasst werden müssen.Mit der vorliegenden
Publikation soll Information darüber in die Diskussion
gebracht werden, in welchem Ausmaß und wie von
der österreichischen sozialwissenschaftlichen Forschung
die erweiterten Potentiale genutzt werden und in welche
Richtung Möglichkeiten zur Weiterentwicklung weisen.
Welche Organisationen haben sich in den ersten Jahren
der österreichischen EU-Mitgliedschaft an Projektanträgen
in gesellschaftlich und sozialwissenschaftlich relevanten
Themenfeldern erfolgreich beteiligt? Mit welchen Problemen,
Erfahrungen und Ergebnissen waren die Informationssammlung,
die Partnersuche, die Antragstellung verbunden? Welche
Barrieren wurden sichtbar und behindern eine erfolgreiche
Wahrnehmung von vorhandenen Chancen? Fragen dieser Art
werden in den folgenden Buchbeiträgen aus unterschiedlichen
Perspektiven beleuchtet. Die erste betrifft generelle
Veränderungen von sozialwissenschaftlichen Arbeitsbereichen,
Anforderungen und Handlungsfeldern im Zeichen von Internationalisierung
und der Entfaltung von Wissensökonomie und Informationsgesellschaft.
Der zweite und zentrale Schwerpunkt behandelt die Stellung,
Möglichkeiten und Erfahrungen der Sozialwissenschaften
in den Rahmenprogrammen für Forschung und technologische
Entwicklung der Europäischen Union. Weitere Beiträge
befassen sich darüber hinaus mit spezifischen Förderungsmaßnahmen
zur Kooperation mit Partnerorganisationen in osteuropäischen
Ländern. Dabei steht der Aspekt wissenschaftlicher
Forschung etwas im Hintergrund zugunsten von Konzepten
und Maßnahmen zur praktischen Lösung von
sozialen Problemen – wozu allerdings die Sozialwissenschaften
aufgerufen sind, Beiträge zu leisten. Ob, wie und
mit welchen Ansätzen sie das tun, sollen insbesondere
die Kurzdarstellungen von Projektberichten exemplarisch
zeigen, welche den Band beschließen.Die Grundüberlegung,
welche damit zur Diskussion gestellt und die freilich
in diesem Rahmen selbstverständlich weder als erschöpfend
noch gar abschließend ausgeführt betrachtet
werden kann, ist folgende: Forschen in Europa macht
einerseits einen wesentlichen Unterschied gegenüber
den gewohnten Formen der Planung, Finanzierung, Durchführung
und Verwertung von Forschung im tradierten nationalstaatlichen
Umfeld. Dadurch werden Forschungsfragestellungen neu
bestimmt. Ebenso werden die Formen der Zusammenarbeit
zwischen ForscherInnen, Gruppen und Instituten verändert,
das Methodeninstrumentarium, das Publikationswesen und
Umsetzungsstrategien – die praktische Anwendung
– von Forschung in vielfältiger Weise gefordert.Darüber
hinaus ist die Frage nach den sozialen Dimensionen in
der europäischen Forschungs- und Technologiepolitik
nach wie vor virulent und wird im Hinblick auf die bevorstehende
Osterweiterung der EU noch wesentlich dringlicher werden.
Auch diesbezüglich stellt sich, wie in vielen anderen
Belangen auch, die Frage nach der Kompatibilität,
Abgrenzung und Ergänzung zwischen nationalen und
internationalen Förderungen, Projekten und Programmen.
Europäische Osteuropaprogramme zur Unterstützung
sozialer, wirtschaftlicher und institutioneller Aufholprozesse
sowie zur Erhaltung wissenschaftlicher Infrastrukturen
(INCO-COPERNICUS, PHARE, TACIS, INTAS) scheinen ebenso
wenig im Blickpunkt der Sozialwissenschaften Österreichs
wie etwa die national geförderten Projekte der
Ostzusammenarbeit, die immerhin auch einen Themenbereich
Arbeit und Soziales einschließen.Das
vorliegende Buch hätte seinen Zweck erreicht, wenn
es dazu anregen könnte, dass die sozialwissenschaftliche
Scientific Community in Österreich den vielfältigen
europäischen und thematischen Entwicklungen bewusster
und systematischer als bisher gegenübertritt. Die
ebenso notwendige wie wünschenswerte Intensivierung
der Beteiligung am Prozess der Europäisierung von
Forschungsanstrengungen zur Lösung sozialer Probleme
könnte damit einen Schritt weiter geführt
werden. Ein wesentlicher Bestandteil echter
Europäisierung wäre in einem systematischen
Aufbau multinational und mehrsprachig zusammengesetzter
Institute zu sehen. Effekte einer Verbreitung solcher
bis heute noch sehr seltenen Modelle würden weit
über die internationaler Kooperation von Forschungseinrichtungen
mit grundsätzlich national homogenen Belegschaften
hinausgehen.
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